Vermischte Nachrichten

Minimalistisches Road-Movie. 15 km Landstraße. Dahinfahren, in Kontakt treten, sich erinnern.

Info

  • Österreich 2006, 77 Min, Digitalvideo
  • Buch, Regie, Produktion: Angela Summereder
  • Kamera/Ton: Michael Pilz
  • Schnitt: Arthur Summereder, Petra Zöpnek, Michael Pilz
  • Mit: Willy Bartel, Tina Rau, Herr Hörtenhuber /Firma FACC, Peter Fußl, Susa und Rudi Renezeder, Angela Summereder, Michael Pilz u.a.
Olaf Möller: Von der Demut. Ein Versuch über die „Sensibilisten“

Die „Senslblllsten" existieren nicht als Gruppe im österreichischen Film, sondern bloß als Spur in der Masse der Filme, ein loser Verbund von Oeuvres, die ethisch-ästhetisch radikale Ähnlichkeiten aufweisen. Der Umstand, dass sich die Filmemacher untereinander kennen und schätzen, gelegentlich sogar miteinander gearbeitet haben, widerspricht dem nicht, denn stärker als jede Wahlverwandschaft dominiert bei ihnen das Gefühl, ein Solitaire zu sein, der abseits der audiovisuellen Produktionswelt dem eigenen Rhythmus gemäß unentfremdete Werke schafft, die man in einem emphatischen Sinne als die „ihren“ bzw .“seinen“ bezeichnen kann. Einigen fällt das leichter, anderen schwerer, der ein oder andere ist daran zerbrochen. Namen: Michael Pilz, John Cook, Angela Summereder, Peter Schreiner, Manfred
Kaufmann, Manfred Neuwirth, Gabriele Hochleitner, vielleicht fühlen sich andere ebenso zugehörig, vielleicht fühlen sich einige der Aufgezählten auch missverstanden. Sicher Ist: das österreichische Kino Ist selten seelisch so groß wie in ihren Werken, so generös, dem Leben zugewandt, seinen Mitmenschen, seiner Gegenwart – die am Ende man immer doch selbst Ist.

Pilz (*1943) und Cook (1935-2001) waren Freunde, bis sie sich über einem Film zerstritten, den sie gemeinsam gemacht haben: „Langsamer Sommer" (1974-76) – seinerzeit ein Signalwerk, zwischendurch ein Mysterium, mittlerweile ein Kultfilm, man einigte sich darauf, dass es ein Film von John Cook Ist, den Michael Pilz produziert hat, auch wenn es arbeitstechnisch genau anders herum war. In den 1980er-Jahren entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen Pilz und Schreiner (* 1957), die bis heute hält; Pilz hat sich immer stark gemacht für Schreiner, dessen Schaffen erst in den letzten Jahren ansatzweise gewürdigt wird (vgl. fd 1012010); in den 1980er-Jahren stand eigentlich nur Pilz zu Schreiner; als Pilz ihn für die Kamera seines "chef d'oeuvre maudit" "Feldberg" (1987-90) engagierte, musste das bis zur letzten Sekunde vor den Geldverwaltern geheim halten werden, da keiner wusste, wer Schreiner war und worauf man sich da einlassen würde; bei seinen ersten vier Langfilmen – "Grelles Licht" (1982), "Erste Liebe" (1983), "Kinderfilm" (1985), "Auf dem Weg" (1990) – kann Schreiner in den meisten Fällen angeben, wie oft die jeweils eine Kopie des jeweiligen Werkes durch einen Projektor gelaufen ist.

"Zechmeister"

Ein anderes Nahverhältnis existierte zwischen Pilz und Angela Summereder (* 1958), als sie in den frühen 2000er-Jahren langsam zum Kino zurückkehrte. 1981, jenem so entscheidenden Jahr des modernen österreichischen Kinos, dem Jahr Null der großen Filmförderung, machte ihr Langfilmdebüt "Zechmeister" Furore. Es ist eines der wenigen Werke jener Aufbruchszeit, das bis heute Bestand hat. Danach aber kam knapp zwei Dekaden lang nichts - Ehe, Kinder, etc. Als der Nachwuchs aus dem Haus war und die seit langem marode Lebensgemeinschaft endlich auseinander gehen konnte, wandte sie sich, weitgehend unbemerkt, wieder dem Kino zu. "Vermischte Nachrichten" (2006) sollte man als verlorene Perle der letzten Dekade entdecken: ganz gegenwärtig ist hier Summereders Einfühlungsvermögen und Prägnanz. 1979 machte Manfred Kaufmann (1950-1986) auf sich aufmerksam, mit dem schön betitelten Film "Gefischte Gefühle", worin schon ein gewisses Unbehagen an den Verhältnissen steckte, das sich in seinem nächsten Kinospielfilm "Weht die Angst, so weht der Wind" (1983) heftig Bahn brach; ein vergessenes Meisterwerk der Ära. Auch Kaufmann und Pilz waren Freunde; Folgen für ihre Werke zeitigte das nicht. Schaut man sich heute "Weht die Angst, so weht der Wind" an, dann weiß man, was die beiden verband: eine ganz rare, unzeitgemäße Zartheit. Kaufmanns Filme, ebenso die von Schreiner oder "Zechmeister", passten nicht in diese Ära des oft brüsk und manchmal ganz brutal Robusten, während man den durchaus weit beachteten Cook behördlicherseits abtrieb: ein ORF-Verantwortlicher sagte Cook nach dem bis heute unterschätzten Film "Artischocke" (1980/81), als Cook ein Projekt namens "Brömmer oder Die weite Reise" zu stemmen versuchte, erschreckend unverhohlen, dass er keine Förderung mehr bekommen würde. Cook kapitulierte und emigrierte nach Frankreich, Kaufmann setzte bald darauf seinem Leben ein Ende, weil er dieses Österreich nicht mehr aushielt. In den 1990er Jahren schmiss dann auch Schreiner die Brocken hin, weil er glaubte, zu den Menschen keinen Weg gefunden und mit seiner Kunst versagt zu haben. "Staatz Ende" (1986-89), heißt ein Kurzfilm, den Pilz drehte, als er vom Tod Kaufmanns erfuhr; er nahm die Super-8-Kamera hoch und ließ sie laufen, damit es weiterging und er vielleicht vier Minuten länger nicht weinen musste; später legte er ein Gewittergrollen unter das Sonnenbild mit Kindern. "Staatz Ende" ist ein Memento. Ähnlich sprechend ist der Titel einer späteren Gemeinschaftsarbeit von Pilz mit acht Studenten: "Irgendwo hätt' ich sonst hingewollt" (1995).

Eine der Studierenden war Gabriele Hochleitner (*1969), die 2008 mit "For Some Friends. Ein Film über, für und mit Michael Pilz" ihrem Mentor ein kleines Denkmal setzte. Es ist nicht ihr bester Film – der unordentliche, aber emotional merkwürdig schlüssige "Die Stadt und die Erinnerung" (2001) sowie "Zwa traurige Buam" (2006) sind sehr viel gestandener –, doch man spürt das komplex-verworrene Verhältnis zwischen ihr und Pilz, wie das eben manchmal so ist zwischen Meister und Schülerin, dieses Nicht-Genau-Wissen, wie viel man zeigen kann und darf und wie viel nicht, wie viel man preisgeben will vom anderen wie von sich selbst (ähnliches ließe sich über eine Co-Regiearbeit "La Habana" , 2000/01 sagen, bei der man das Gefühl nicht los wird, dass alles wirklich Bedeutende sukzessive entfernt wurde). Bezeichnend ist vielleicht, dass Pilz die tollste Szene gerne aus dem Film heraus gehabt hätte, sich am Ende aber doch nicht sperrte: da fängt er an, in einer Küche Luftgitarre zu spielen – und man sieht den entspannt-ironielustigen Schelm mit dem super Schmäh, den Draufgänger und Genrekinogucker, wie ihn seine engeren Freunde kennen und lieben, den er bei öffentlichen Auftritten aber unterdrückt.

Und Manfred Neuwirth (* 1954)? Der machte aus dem Freundschaftsgeflecht eine Gruppe, da er als einziger kein konkretes Nahverhältnis zu einem der oben genannten hatte; man ist einander sympathisch, schaut die Filme des jeweils anderen an, schätzt sie, hält aber einen gewissen respektvollen Abstand zueinander. Was ja auch schön ist.

Gemeinsam ist den Sensibilisten ein Zug zu hybriden Formen auf dokumentarischer Basis, eine Ästhetik des Brüchigen, des Vexierspiels mit Verismen und Stilisierungen; von da an aber diversifiziert es sich: weit ist das Feld zwischen den metrischen Setzungen von Neuwirths kapitalem "Tibet Revisited" (2005) oder den digitalen Zuspitzungen in der "Ma-Trilogie der Zwischenräume" ("Tibetische Erinnerungen", 1995; "manga train", 1998; "magic hour", 1999) und der in Dutzenden von minutenlangen Einstellungen zerfließenden Zeit in Pilz' "Prisyadim na dorozhku" (1993-94) oder "Gwenyambira Simon Mashoko" (1997-2002); vom Heilen wissen aber interessanterweise sowohl Neuwirth wie Pilz zu erzählen. Neuwirth arbeitet schon seit Jahren an einem Film über tibetische Medizin, Pilz begreift seine aktuelleren Werke als Meditationsflächen. In Schreiners steilsten, ihn selbst immer noch am meisten irritierenden Werken, "Auf dem Weg" und "Blaue Ferne" (1994), fließen Psychodram, Literaturadaption, Tagebuch und Dokument auf eine für alle Beteiligten gefährliche, den Zuschauer hart auf sich selbst zurückwerfende Art ineinander – ein wenig so wie in "Langsamer Sommer", wo alle sich selbst spielen und beunruhigend viel von sich entäußern, nur nicht so eingängig, für sich einnehmend, sondern sperrkantiger; während in "Zechmeister" Erinnerungen einer wegen Mordes verurteilten Frau auf straubeske Re-Inszenierungen ihres Prozesses prallen und dessen Machtverhältnisse.

Kaufmann war der einzige, der sich auf Spielfilme konzentrierte, weshalb ihn die Widrigkeiten der Filmförderung härter trafen als die anderen, die sich ohnehin immer am Rand sahen; Kaufmann wollte seinen Filmen nach ins Zentrum, hin zu einem Kino kollektiver Achtsamkeit voreinander. Bemerkenswert, das sei nur nebenbei angemerkt, ist ein gegenläufiges Moment im Schaffen von Pilz und Schreiner: Pilz bewegt sich von der gestalteten zur angenommen-erfahrenen Zeit, Schreiner genau umgekehrt; paradoxerweise spielt bei beiden der Wechsel von Film zu Video dafür eine entscheidende Rolle.

"Himmel und Erde"

Das Eigene, Lokale, Authentische reißt an ihnen allen, auch oder gerade, wenn sie in der Fremde sind und sich dort noch stärker spüren als daheim. Was Pilz' monumentale Arbeit . “Himmel und Erde“ (1979-82) vielleicht zum Schlüsselfilm der Sensibilisten macht: ein zweiteiliger Fünfstünder, der sich allen Klassifizierungen souverän widersetzt. Teil 1., "Die Ordnung der Dinge", beschreibt minutiös-konkret das Leben in dem steyrischen Weiler St. Anna: was es bedeutet, in großer Höhe eine landwirtschaftliche Arbeit zu verrichten, welche ökonomische Abhängigkeiten dies mit sich bringt und wie das alles das Miteinander definiert, das Solidaritätsempfinden wie die Konkurrenz. In Teil 11, "Der Lauf der Dinge", entwickelt der Film aus diesen Konkretheiten eine spirituelle Dimension – Rituale von Leben und Tod
werden nun wesenhafter als Erwerbszyklen. "Himmel und Erde" ist mit das Vielgestaltigste, Erhebendste wie Erhabenste und Schönste, was das Kino der Wirklichkeit je abgerungen hat.

Olaf Möller schreibt über und zeigt Filme.

(film-dienst 22/2010, S. 24 f.)

Filmtext

Wen wollten wir da treffen?
Die Evrim.
Was macht die?
Kassa und Regalbetreuung. Vielleicht ist sie noch drinnen und räumt auf. Warten wir ein bisschen.

 

Vermischte Nachrichten
Ein Film von Angela Summereder
Kamera: Michael Pilz

Wir machen einen Film über die Straße da, zwischen Ort und Ried.
Und jetzt wollte ich dich fragen, ob du etwas erzählen kannst, was da drüben geplant ist?
Da weiß der Willi alles. 
Über die Tankstelle?
Was wollt ihr wissen?
Da müssen wir rausgehen.

Es geht um das Grundstück da, oder?
Das untere, wo kein Getreide angebaut ist.
Wo die gelbe Tafel ist...
Gehen tut es darum, dass der eine Tankstelle bauen will mit 35 bis 37 normalen Stellplätzen und 3 oder 4 ... 

Du musst ein bisschen dichter an mir dran bleiben.

Entschuldigung, dürfen wir von ihnen kurz ein Porträt machen?
Wieso?
Wir machen einen Film über die Straße...

Na, bitte! Muss das sein?
Ja...

Ich trau mich da nicht rein.

Schauen wir, wie das da draußen ausschaut.
Ich glaub, es wär gut, wenn wir draußen anfangen. 

Soll ich die zweite Tür auch noch aufmachen?
Nein, das passt so.

Herr Mörtenhuber, Sie sind so freundlich und erklären mir, was da eigentlich passiert in dieser Firma.

Dieses Werk, das Sie hier sehen, ist in Betrieb genommen worden im Jahre 2000 und hier werden in erster Linie Bauteile produziert für die Innenausstattung von Flugzeugen.  

Und machst du etwas, um Leute zu finden, mit denen du Freundschaften aufbauen kannst?
Das ist nicht so einfach.

Man muss Leute treffen, mit denen man einen level hat. Ich arbeite von sieben bis halb fünf, wenn du nach Hause kommst, hast du keine Lust mehr, dich irgendwie zu bewegen.
Wie willst du da Leute kennen lernen... Wenn du einkaufen gehst. Nein, da lernst du keine Leute kennen, das ist ja Quatsch. 

Es ist immer mehr geworden. Aus einem Wort sind Sätze geworden, dann Seiten.
Es sind sehr viele Seiten jetzt.
Wie viele?
Gut 200.
Mit der Hand geschrieben?
Nein, seit vier Jahren schreib ich mit Computer.
Und was wirst du damit machen?
Ich weiß nicht, der Meinige hat gemeint, ich soll es veröffentlichen.
Hat er etwas gelesen.

Nein, aber er kann sich’s vorstellen. Ich hab ihm erzählt davon. Er findet das klasse. Aber ich bin enttäuscht. Wenn ich darin lese... es ist sehr traurig.
Kann man sagen, es geht um eine gescheiterte Liebesbeziehung?
Ja, kann man sagen.

Ich bin türkisch Mann.
Wo fährst du hin?
Istanbul. Drei Tage. Muss arbeiten, danke, tschüss. 

Wie geht’s? 
Gut. Selber?
Auch gut. Heiß, heiß, heiß.
Hab ich eine Schwester bekommen! 
Du hast eine Schwester bekommen?

Drei Wochen ist sie alt. Dilara. Jetzt haben wir vier Kinder.
Ob du ihn auch aufgenommen hast, sagt er mir?
Ihn? Ja.
Wir waren schon öfter da.
Die sind auch öfter da. 

Noch nix frei.

Und was für Hunde züchten sie da?
Eigentlich Schäferhunde. Auch einige Hirtenhunde. 

Wohnen sie dort?
Ist eigentlich mein Zweitwohnsitz.
Und das mit der Tankstelle, stört Sie das mit den vielen LKWs?
Stören? Eigentlich stört mich das nicht.
Stammen Sie von einem Bauernhof ab?
Nein, meine Mutter stammt von einem Bauernhof ab... 

Bei der Tankstelle wissen wir bis heute nicht, wie das gelaufen ist.

Ein Chauffeur ist auf die Idee gekommen, das wäre nicht schlecht, wenn da eine Tankstelle wäre. Hat um fünf  Millionen Kredit angesucht, hat vier Millionen verbaut und die letzte Million haben sie ihm nicht mehr gegeben. Man darf das nicht laut sagen, aber ich sag es.

Da ist der clevere Besitzer, Geschäftsmann Wölfl, der ist im Lagerhaus, Lagerhaus ist Raiffeisenbank, jetzt vermuten wir, dass ihm der absichtlich die letzte Million nicht mehr gegeben hat. ER hätte die Tankstelle nicht bauen können, da hätte man gleich gewusst, das wird eine große. Aber so hat das ein kleiner Chauffeur begonnen, da hast du dir gedacht, naja, so groß wird das nicht werden...

Wie? Dann haben sie ihm die letzte Million nicht gegeben, dann hat der Wölfl...

...hat der Wölfl ihn gelegt, ihm alles ganz billig abgenommen und der Chauffeur hat jetzt die Schulden...

Tolles Auto. Fünfer.
Nein, Siegener.
Ein siebener BMW! Mit Ledersitzen!

Der hat jeden Tamtam. Der piept hinten und piept vorne. Parkcontrolsystem. Beheizbar. Drin spricht auch ne Frau mit dir. Das Navigationssystem. Die nervt total.

Kannst du das mal einschalten.
Nee, kann ich nicht. 

Jetzt läuft das irgendwie anders.

Meine Prioritäten... wie soll ich das sagen... die sind anders.

Früher, weißt du, da hab ich viele Ersatzbefriedigungen gebraucht. Weil mein Leben nicht so positiv war, hab ich mich ersatzbefriedigt im Sinn von materiellen Dingen. Klamotten, Kosmetik und all so ein Zeug. Früher war ich stark geschminkt, superblond, Miniröckchen.

Und das lag nicht daran, dass ich Friseurin gelernt hatte, sondern das war so ein Verkleiden. Ich glaub, dass das nicht ICH war, nicht wirklich, sondern, dass ich einen Weg gesucht habe, mich zu befriedigen oder mich zu finden und das ganze Negative zu überdecken.

Und das brauch ich heute nicht mehr.
Weil es immer weniger Faktoren gibt in meinem Leben, wegen denen ich mich unwohl fühle.
Ich hab das erst Mal in meinem Leben einen Mann, den ich so nehmen und akzeptieren kann, wie er ist. Weil er was tut.
Wie meinst du das?
Es gibt so viele Männer, die erzählen so viel, was sie erreichen wollen, was sie alles gern tun würden, aber sie tun’s halt nicht. 
Wir wollten hier sein, weil wir gesagt haben, warum nicht da leben, wo du Urlaub machst. Das war das Fundament. 
Es ist eine Umstrukturierung mit den Bekanntschaften. Ich seh da nicht so ein Problem.
Ich geh immer auf die Leute zu. Du bist hier so viel mit Kunden zusammen, da bildet sich schnell eine Bekanntschaft, eine Freundschaft. Geht ganz fix. Bei der Tina läuft das jetzt auch an, sie hat mehr Schwierigkeiten gehabt. Im Großen und Ganzen ist der Ort hier schon ok.

 

Tina, wie kommt man von Berlin nach Grieskirchen?
Wir haben da mal genächtigt, Zwischenstopp auf einer Reise.
Und dann meinte ich zu Michael, hier könnte ich auch leben, ein schönes Land, alles so weitläufig, nicht zu laut, nicht zu dicht, gute Luft, gute Natur. Irgendwann kam er und meinte, hast du das ernst gemeint. Klar, warum nicht. Ich schätze mal, da hab ich eher eine Chance, eine Arbeit zu finden als in Berlin.

 

Und da war der Fußl Peter und der hat barfuß getanzt...
Jaja, in den 70er Jahren, wir waren für unser Dorf ein bisschen fortschrittlich... 
Lange Haare, Hippie-Gewänder, heute wäre das harmlos.
Damals warst du der Rebell.
Parade-Linker.

 

Sobald du das Wort HEIMAT in den Mund nimmst, bist du gestempelt.
Welchen Ausdruck sollte man sonst nehmen? Ich habe eine Umfrage gemacht mit Schülern, was man unter Heimat versteht. Ist das dort, wo du geboren bist, dort, wo du lebst, wo du wirtschaftlich deinen Schwerpunkt hast... Ist der Begriff bei Jüngeren überhaupt gefragt?
Alle Schulen haben mitgemacht. Über 1000 Schülerinnen.
Was ist unter dem Strich heraus gekommen?
Fast alle finden es wichtig, dass man einen Bezug hat zu einer Region. Für die meisten ist Heimat das, wo sie ihre Jugendjahre verbracht haben. Bei Frauen ist es nicht so eindeutig. Ist Heimat das, wo sie selbst aufgewachsen sind oder wo sie mit ihren Kindern leben.
Und wie groß zieht man den Bereich. Ist das die Gemeinde, der Bezirk, Bundesland, Österreich, Europa, keine Ahnung. 

Du möchtest den ganzen Tag nur schmusen...
Und wie kam es, dass du das Haus gekauft hast?
Das war angeschrieben, beim Vorbeifahren hat man das Plakat von einem Makler gesehen.
Ich wollte mir immer ein Sacherl kaufen, einen kleinen Bauernhof, aber das kann ich mir nicht leisten, die sind verhältnismäßig teuer.

Ja, ich wär gern Bauer.

Mit wem lebst du da?

Mit meiner Lebensgefährtin Sandra. Wir sind seit fünf Jahren zusammen und haben drei Kinder. Zwei sind aus ihrer ersten Beziehung und miteinander haben wir eine Tochter, vier Jahre alt. Theresa.

Wieso soll ein Bild unbedingt scharf sein, im Auge des Betrachters? Warum? Die Natur schreibt das vor? Je schärfer das Bild, desto mehr kann man erkennen, die Details, die Einzelheiten, die Photogenie. 

Brennweite ist weiter Winkel oder enger Winkel. Manche Menschen haben einen ganz engen Winkel, die sehen nur einen Ausschnitt. Manche haben einen ganz weiten Winkel, manche sehen mehr, als es zu sehen gibt. Das gibt’s auch.

Es gibt Kameras, die hypnotische Eigenschaften haben.

Gehen wir hin?
Ja.

Bist du fertig, oder musst du da drinnen noch was machen?
Geschäftlich bin ich fertig. Was machen wir? 

Du heiratest? 
Ja, am 18. Juni.
Seit wann kennst du deinen zukünftigen Mann?
Seit Dezember.
Wie habt ihr euch kennen gelernt?
Die Schwiegermama hat sich vorgestellt und dann hab ich ihn kennen gelernt.
Zufällig. Jetzt passt es.
Wie werdet ihr heiraten?
So bald wie möglich standesamtlich. Wenn ich frei bekomme. Und am 18. in Weiß und er mit Anzug. Da kommen sehr viele Leute.

Ich bin kein Dichter. Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll. Das kann man auch nicht so sagen vor anderen Leuten. Aber es ist etwas besonderes, was uns verbindet und was auch hoffentlich für immer hält.
Sicher.
Ihr habt euch relativ schnell entschlossen zu heiraten.
Ja. Am Anfang hab ich mich schon gesträubt dagegen.
Hattest du Angst?

Nein, das nicht. Aber es ist ja doch ein großer Schritt. Ist ja nicht so, wie wenn man als Teenager sagt, willst du mit mir gehen? Man muss sich schon bewusst sein, was für einen Schritt man da wagt. Aber wir haben uns beide so entschieden und das ist auch gut so, denke ich.

 

Den Reisepass darfst du nicht verlieren Schatzi, den brauchst du morgen am Standesamt.

Am Freitag heiraten wir standesamtlich, um vier Uhr, in Ried.

 

Das hält sowieso nicht.

Doch. Lass mal los.

Das fällt wieder zusammen.

Locker machen.

 

Sollen wir grinsen.

Nein, das tut jeder. Tu das, was du fühlst.

Ich hab nicht mal Ohrringe drauf.

Bist so auch fesch.

Zu wem sollen wir schauen?

In die Kamera.

Ich werde ja nicht jeden Tag gefilmt, ich weiß ja nicht, wie das ist.

 

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Gestern um 19:27.

Ja, hallo, grüß dich, Slaby ist da. Du, ich hab leider eine schlechte  Nachricht. Ich mag kein Filmschauspieler mehr sein. Ich hab mir das überlegt und mag keine Sekunde mehr etwas tun, was für mich nicht direkt etwas bringt. Ich muss mich mit ganz was anderem beschäftigen. Nicht böse sein. Ich mag wirklich nicht. Alles klar. Vielleicht passt’s ein anderes Mal. Ciao.

 

Bist du auch so müde?

 

Wohnen sie da alleine?

Nein, meine Mama und mein Papa auch.

 

Glück im Spiel, Pech in der Liebe.

Ein Beziehungsproblem spitzt sich zu. Sie spüren immer mehr, dass sich ein Mensch innerlich von ihnen entfernt.

Pech in der Liebe? Ich hab nie Pech in der Liebe. Das gibt es gar nicht.

Doch. Weil sich nämlich ein Mensch innerlich von Ihnen entfernt.

Da hab ich ja kein Pech in der Liebe dadurch.

Da steht aber, dass das so aufzufassen ist.

Ich kann das nicht so auffassen. Wenn der Mensch sich von mir entfernt, ist das seine Sache.

Ich versteh das nicht. Wie soll man Pech in der Liebe haben? Und was heißt’s noch. Glück im Spiel?

Trifft das zu?

Immer, ja. Ich spiele gerne und hab immer Glück.

Was spielen Sie gerne?

Sandspiele, zum Beispiel. In der Grube oder Kiste. Oder Sexspiele.

Wo ist denn ihr Lieblingsspielplatz?

Wo es passt. Das kann überall sein. 

Das ist mein Kaffee, hast du gesagt.

Nein, wir haben ausgemacht, dass das mein Kaffee ist und dein Kuchen.

 

Rom, Friaul, obere Toscana.

Heute geht sich das nicht aus, wir müssen noch Wirtshäuser besuchen.

Termine.

 

Wie soll ich in die Arbeit kommen? Mit dem Autobus chancenlos. Du bist verpflichtet zum Auto fahren. 

 

Ihr habt das rote Haus gefilmt. Ich habe euch gesehen. Ihr seid bei meinem Parkplatz stehen geblieben.

 

Das sind Diskussionen... wie ein Fass ohne Boden. Da redest du gegen eine Wand.

 

Was macht denn St. Martin, wenn es eine zerfetzte Straße hat? Alles kaputt. LKW an LKW.

Die Leute, die da wohnen, das ist ja keine Wohnqualität mehr. Die Politik hat versagt. Warum kommt da nichts?  Warum kommt da kein Gendarm und sagt, was, du willst nach Bratislawa?

Fahr Autobahn und zahl.

Grenzen sind nicht umsonst da gewesen, früher. Da kommt ein Tscheche an und will was haben. Da muss ich sagen, tut mir leid, ich versteh dich nicht. Mir würd’s genau so gehen in dem Land. Aber ich fahr ja nicht hin. Was soll ich da?

Das merkst du schon, diesen Einschlag im Mühlviertel, wie das so rüber drückt. Ich mag das nicht.

Ich denke auch, dass die Tendenz wieder zum Schilling kommt.

Glaubst du?

Ja. Du bist ja nur am Zahlen. Jeder ist unzufrieden. Mach eine Umfrage. Österreicher, wollt ihr die EU oder wollt ihr euren Schilling wieder haben. Sagen 80-90% Schilling.

 

Gefährlich, da.

Willst du da etwas reden mit irgendjemand?

Was du immer mit dem Reden hast.

 

Und was machen wir jetzt da? 

Wir frühstücken.

Nein, überhaupt. Was tun wir da.

Wir machen eine Bestandsaufnahme von allen 12 Wirtshäusern, die es hier gibt. Kaffeehäuser, Wirtshäuser, Würstelbuden und geben von jedem einen kurzen Einblick.

 

Wir haben noch mehr Gasträumlichkeiten.

Einen Saal oder was?

Ja und hinten auch noch etwas.

Einen Gastgarten?

Nein, der ist vorne.

Wollen Sie uns das ein bisschen zeigen?

Da hab ich ein Stüberl.

Da hab ich einen kleinen Saal.

Da sind Feiern für Vereine?

Für Vereine, Totenzehrungen. Was halt so anfällt.

 

Gar nicht gewusst, dass es hier so einen großen Billardsaal gibt.

 

Da hab ich oben eine Garconniere. Komplette Wohnung.

Sie wohnen auch da?

Nein. Wir haben ein Privathaus.

Sie sind Pächter oder Besitzer?

Besitzer. Meine Gattin und ich.

30 Jahre sind wir da. Als Wirt 14 Jahre. Und jetzt gehen wir in Pension und verkaufen.

Haben Sie schon einen Käufer?

Leider nein.

Schwer?

Sehr schwer.

Gastgewerbe... die Arbeit will sich keiner mehr antun.

Du musst dir immer die gleiche Suderei anhören.  Und das über zehn Jahre. Und immer freundlich bleiben.

Du darfst keine eigene Meinung haben im Gastgewerbe. Am Bau hab ich ehrlicher sein können. Zu mir selber ehrlich. Und da bin ich aber zu mir selber falsch. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen. Das ist ein Brocken, an dem schluck ich oft.

Danke, dass Sie uns herumgeführt haben und uns erzählt, wie es Ihnen geht als Wirt.

Ich würde keiner mehr werden.

Lieber einen Würstelstand oder eine Würstelbude. Wenn du da einen beleidigst, der kommt nicht mehr. Wenn du hier einen beleidigst, kommt eine ganze Gruppe nicht mehr. Wenn du eine junge Frau bist, kann es passieren, dass sie dich angrapschen. Das passiert dir am Würstelstand nicht. Gegenüber dem Bau... wenn einer keck geworden ist, hat er eine gefangen.

Kann man als Wirt nicht so einfach machen...

 

Wo ist euer Haus?

Am Land. 

Heuer haben wir angefangen. Mit den Grundfesten. Wenn wir im Dezember wieder hin fahren, machen wir weiter. Dach. Fenster.

Habt ihr ein Photo?

Ja, ich hab ein paar Photos.

 

So weit sind wir gekommen. Die Grundplatte.

Das Loch für eine Säule, ein Meter im Quadrat. Eine Mörderarbeit, die Erde so hart wie Beton. Wird aber alles mit der Hand gegraben. Ein Tag für ein Loch. Wir haben 15 Säulen und dafür hatten wir 15 Leute.

Bevor man die erste Säule setzt, ist eine große Party.

Der alte Rat, die alten Frauen, auf der Baustelle, das ist ganz wichtig, dass die dabei sind. Ohne alte Frauen geht dort überhaupt nichts.

Da wird die erste Säule gesetzt.

Das ist der alte Mann, der mit den kleinen Geistern redet.

Wie bei uns mit Weihwasser...

 

Seit wir laufen können, sind wir schon Lausbuben gewesen, dann sind wir miteinander in die Schule gegangen.

Dann hab ich ihn ein bisschen verschleppt zum Reisen. Kanada. Thailand. In Australien waren wir auch.

Damit man ein bisschen was sieht von der Welt. Viel geht eh nicht, weil sie so groß ist. Aber es ist schon schön, ein bisschen fort fahren… 

10 Sekunden bleiben.

Passt.

Wenn man will, was zu schaffen... Ich habe in Pakistan nichts gelernt. Ich habe da in Österreich gelernt.

Wie alt warst du, als du geheiratet hast?

Ich war 19. Sie war auch 19. Irgendwo war es mein Fehler, irgendwo war es ihr Fehler. Ich sehe heute alles ein. Es ist schwierig, aber es ist so.

Mehr wie zwei Wochen... dann geht mir die Arbeit ab. Ich war lange nicht in Pakistan. 9 Jahre. Dann war ich in Pakistan, da war ich drei Monate. Das war zu viel. Du bist gewohnt zu arbeiten, hast viel zu tun, selbstständig erledigen, dies, dies, dies. Bist du zu Hause bei uns, ist das total anders. Die Eltern, Geschwister, Nachbarn, so lang warst du nicht da, heute bei dem essen, da Einladung, dort Einladung. Jeden Tag. Und dann mit der Zeit wird dir das zu viel. Und dann fragst du, was mach ich da…

Ich bin 87 gekommen und ich bin verheiratet gewesen. Ich habe eine Tochter, aber ich bin geschieden, schon lange.

Heimweh?

Ehrlich gesagt... vielleicht ganz früher. Ich habe hier so gute Freunde und Bekannte, mit denen unternehme ich etwas, dann denke ich nicht, ich bin allein.

Ich fahre sehr gern Auto, sehr viel, heim, in die Arbeit...einkaufen, das, das... Ich fahre gern. Ich fahre im Jahr mindestens 40 bis 50 tausend km.

Was fährst du für ein Auto.

Ganz billig. Ich verdiene nicht so viel, dass ich Ferrari kaufen kann. Mein Auto steht da draußen, Nissan, Diesel, ich liefere Pizza damit und privat fahre ich auch.

Du fährst gern mit dem Auto über die Landstraße? Das tu ich auch gern.

Das mag ich. Wenn ich habe nichts zu tun, egal, ich fahre, weit, Schärding, Esternberg zum Kaffee trinken. Fahr ich.

Kann man so schön abschalten.

Genau.

Grüß dich. 

Kennst du mich?

Schon als kleines Mädchen.

Wir machen einen Film über die Straße zwischen Ort und Ried.

Da hast du schon einmal was gehabt.

Ja, und jetzt machen wir eine Fortsetzung.